Fritze, der Mann mit dem fairen und sportlichen Charakter
Fritz Thiedemann war der bisher einzige Ehrenbürger der Stadt Elmshorn, nach dem noch zu Lebzeiten eine Straße beziehungsweise ein Weg benannt wurde.
Kindheit in Dithmarschen
Der in Weddinghusen (Kreis Dithmarschen) geborene Fritz Thiedemann kam während des 1. Weltkrieges am Sonntag, 3. März 1918, zur Welt. Nach Elmshorn verschlug es ihn im Jahre 1949.
Der Sohn eines Landwirtes hatte acht Geschwister und wuchs in der ländlichen Idylle im Westen Schleswig-Holsteins auf, wo Pferde zum Alltag gehörten. Mit fünf Jahren ritt er bereits die Pferde seines Vaters „warm“ oder „bewegte“ sie, wenn dieser von einem Ausritt kam. Mit zehn Jahren ritt er sein erstes Turnier. Von da ab bestimmte der kleine Fritz, der später von Freunden und in Reiterkreisen „Fritze“ gerufen wurde, die ländlichen Turniere in und um Dithmarschen. „Fritze“ wäre gerne Tierarzt geworden, doch für diese Ausbildung reichte das Geld nicht. Daher absolvierte der Oberrealschulabgänger eine landwirtschaftliche Ausbildung.
Entwicklung zum Dressur- und Springreiter
Mit 20 Jahren kam der Landwirtssohn nach Lüneburg in ein Reiterregiment. 1940 wechselte das Reitertalent in den Potsdamer Dressurstall der Kavallerie-Schule. Dort förderten ihn seine Vorgesetzten, und Thiedemann wurde ein ausgezeichneter Dressur- und Springreiter.
Umzug nach Elmshorn - Gestütsbuchleiter beim Holsteiner Züchterverband
Vier Jahre nach dem 2. Weltkrieg kam die entscheidende Wende im Leben des Dithmarschers: Er zog nach Elmshorn, um hier den Posten eines Gestütsbuchleiters beim Holsteiner Züchterverband zu übernehmen. Damit verbunden war ein beispielloser Aufstieg als Reiter. Doch vor dem ersten großen Sieg heiratete „Fritze“ 1950 seine Anneliese, mit der er bis zu seinem Tode am 8. Januar 2000 verheiratet war. Aus dieser Ehe stammen zwei Töchter und ein Sohn.
Sportliche Erfolge ab 1950
Eine erste sportliche Glanzleistung setzte Thiedemann in Hamburg, wo er 1950 zum ersten Mal das Deutsche Springderby in Hamburg gewann, das schwerste Springen der Welt. 1951, 1954, 1958 und 1959 folgten weitere Derby-Siege.
Dazwischen lagen viele weitere sportliche Erfolge. Hervorgehoben werden müssen die zwei 1952 in Helsinki gewonnenen Bronze-Medaillen bei den Olympischen Spielen. „Fritze“ gewann diese in einer heute aufgrund der hohen Leistungsanforderungen nicht mehr denkbaren Konstellation - in der Dressur und im Springen. Nach der Rückkehr in die Krückaustadt bereiteten die Elmshorner ihm einen triumphalen Empfang mit einem Umzug durch die Stadt.
Bei den Olympischen Spielen in Melbourne, 1956, gewann Thiedemann Mannschaftsgold im Springen mit seinem legendären Meteor. Doch Thiedemann & Co mussten damals nicht mit den Pferden nach Australien, sondern durften mit den Vertretern anderer Nationen die Reiterwettbewerbe vom 10. bis 17 Juni in Stockholm austragen.
Ehrenbürgerschaft im Jahr 1956 verliehen
Nach diesem erneuten großen sportlichen Erfolg des damals 38-Jährigen beschloss das Elmshorner Kollegium dem Mann, der den Namen Elmshorn in alle Welt trug, die Ehrenbürgerrechte zu verleihen. Die Verleihung der Urkunde fand, wo hätte dies auch anders sein können, auf dem Parcours während eines Turniers in Elmshorn statt. Hoch zu Ross, auf Meteor, erhielt Fritz Thiedemann am 29. Juli 1956 die Urkunde von Bürgervorsteher Barthold Piening.
Bericht in den Elmshorner Nachrichten mit Foto auf der Titelseite
Die Elmshorner Nachrichten würdigten diese Verleihung in ihrer Ausgabe mit einem Foto auf der Titelseite. Eine Lokalnachricht auf Seite eins hatte damals Seltenheitswert, weil damals auf Seite eins in der Regel nur Weltnachrichten gedruckt wurden. Und so kam es, dass die Verleihung der Ehrenbürgerrechte „eingerahmt“ war von Schlagzeilen über einen Orkan im Ärmelkanal, bei dem mehrere Segelschiffe und ein Küstenfrachter sanken, und von einer möglichen Mobilmachung in Kairo wegen eines Konfliktes um den Suezkanal.
Auf den Lokalseiten berichteten die Elmshorner Nachrichten in derselben Ausgabe ausführlicher über das Ereignis. Unter anderem hieß es:
Vor der Front der mit ihren Standarten aufmarschierten Reitervereine des Kreises Pinneberg und in Anwesenheit sämtlicher Mitglieder des städtischen Kollegiums ist Fritz Thiedemann gestern nachmittag beim Turnier der Reit- und Fahrschule von Bürgervorsteher Piening das Ehrenbürgerrecht der Stadt Elmshorn verliehen worden. Thiedemann konnte bei diesem Turnier im übrigen erneut sein großes Können beweisen. Im Zeitjagdspringen, im Kanonenjagdspringen und im Vielseitigkeitsspringen siegte er überlegen und belegte auch noch die zweiten Plätze.
„Als Sprecher der ganzen Elmshorner Bevölkerung“, so sagte Bürgervorsteher Piening, „freue ich mich, Ihnen den einstimmigen Beschluß des städtischen Kollegiums bekanntgeben zu können, nach dem Sie zum Ehrenbürger dieser Stadt gewählt worden sind. Elmshorn ist zwar kein klassischer Turnierplatz, auf dem Goldmedaillen von Königen vergeben werden, aber wir sind Mittelpunkt eines Zuchtgebietes, das vor allem durch Sie in aller Welt bekannt geworden ist. Ihre Erfolge und Siege gereichen den Züchtern und der Stadt zur Ehre.“
Europameister mit Meteor im Jahr 1958
Fritz Thiedemann ritt auch weiter auf Erfolgskurs. 1958 folgte der Titel des Europameisters mit Meteor - das Pferd wurde mit 150 ersten Plätzen unter Thiedemann der erfolgreichste „Springer“ der Welt. Nach dem Gewinn der Europameisterschaft empfing der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer den Elmshorner Ehrenbürger.
Gold bei den olympischen Spielen in Rom 1960
1960 nahm der bereits zur Legende gewordene in Elmshorn lebende Dithmarscher an seinen dritten Olympischen Spielen teil, und zwar in Rom. Und er holte mit der deutschen Mannschaft wieder Gold. Ein Jahr später, nach dem „Preis der Nationen“ in Aachen, zog sich „Fritze“ vom aktiven und großen Reitsport zurück.
Trennung vom Holsteiner Verband
Mit der Trennung vom Holsteiner Verband folgte auch die Trennung von Elmshorn: Thiedemann zog mit der Familie wieder zurück nach Dithmarschen.
550 Siege und Ernennung zum Bundestrainer 1967
Während seiner aktiven Reiterzeit errang „Fritze“ 550 Siege. Wegen seiner ausgezeichneten Fachkenntnisse ernannte der bundesdeutsche Reiterverband ihn 1967 zum Bundestrainer. Dieses Amt gab der geradlinige Thiedemann bereits wegen Meinungsverschiedenheit bei der Aufstellung der Olympia-Mannschaft 1968 wieder ab.
Besuch in Elmshorn zum Empfang der Olympiateilnehmer Stich und Blöcker 1992
Fritz Thiedemann kam als Ehrenbürger bis kurz vor seinem Tode immer wieder nach Elmshorn zurück, beteiligte sich an Veranstaltungen und Empfängen, so zum Beispiel an den Empfängen während der Flora-Woche. Für den grandiosen Reiter war es eine Selbstverständlichkeit, bei dem Empfang für die Elmshorner Olympiateilnehmer von 1992, Michael Stich und Herbert Blöcker, dabei zu sein. Der Tennisspieler Stich hatte im Doppel eine Goldmedaille mit seinem Partner Boris Becker gewonnen. Der Vielseitigkeitsreiter Blöcker kam aus Barcelona mit einer Silber- und Bronzemedaille nach Hause.
Thiedemann verstarb am 8. Januar 2000 - Trauerfeier in Elmshorn
Der Autor selbst durfte Fritz Thiedemann bei mehreren Anlässen „beobachten“. Auffallend war die ruhige und zurückhaltende Art eines Mannes, den man nach heutigen Begriffen durchaus einen Weltstar nennen dürfte. Thiedemann, der am 8. Januar 2000, also kurz vor seinem 82. Geburtstag, an den Folgen einer Lungenentzündung starb, wollte seinen letzten Weg auf eigenen Wunsch über Elmshorn gehen. An der Trauerfeier in der Reithalle nahmen 500 Menschen teil, darunter so bekannte Reiterpersönlichkeiten und Weggefährten wie Hans Günter Winkler und Alwin Schockemöhle. Der Präsident des Holsteiner Zuchtverbandes, Breido Graf zu Rantzau, unterstrich in seiner Trauerrede den fairen und sportlichen Charakter des großen Reiters. Und Hans Günter Winkler sagte zum Abschied: „Ich hatte einen Freund, einen besseren fand ich nicht.“