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Stadtarchiv Elmshorn
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Datum: 07.12.2011

Ehrenbürger Weyl, der Hochbegabte

Ein Bote zwischen Mathematik, Physik und Philosophie

Die Geburtsurkunde Nummer 241 im Elmshorner Stadtarchiv weist aus, dass Claus Hugo Hermann Weyl am „Neunten November des Jahres tausend acht hundert und fünf, Vormittags um Fünf Uhr“ das Licht der Welt in der elterlichen Wohnung in der Poststraße erblickte. Sein Vater, Ludwig Weyl, unterzeichnete die Geburtsurkunde am 12. November 1885.

Am 17. November 1955, wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag, verlieh die Stadt Elmshorn „ihrem Sohn“ die Ehrenbürgerrechte. Wenige Wochen später, am 8. Dezember 1955, verstarb Weyl an seinem Wohnsitz in Zürich. Hermann Weyl zählte zu den größten Mathematikern des vergangenen Jahrhunderts.

Die junge Familie Weyl lebte bis 1892 in der Poststraße und zog dann in den Neubau der Bank des „Kredit-Vereins“, der heutigen Volksbank in der Königstraße. Hermanns Vater, Ludwig Weyl, hatte beim Kredit-Verein 1871 seine berufliche Laufbahn als Lehrling begonnen und es bis zum Bankdirektor gebracht. Gleichzeitig war Ludwig Weyl Stadtrat (1909 bis 1920) in Elmshorn. Auch sein Großvater, der Vater seiner Mutter, war in der Krückaustadt kein Unbekannter: Er hieß Claus Hinrich Dieck, hatte 1851 die Elmshorner Nachrichten gegründet, war der letzte Fleckenbevollmächtigte, bevor Elmshorn 1870 Stadt wurde und zählte zu den Gründern des Kredit-Vereins im Jahre 1869.

Gymnasium in Hamburg, anschließend Studim

Zunächst verlief das Leben des jungen Hermann wie das Leben vieler Kinder. Doch nach dem Besuch der Bürgerschule musste Hermann Weyl, der Hochbegabte, täglich mit der Bahn nach Altona zum Christianeum fahren. Schließlich gab es in Elmshorn noch kein Gymnasium. Zehn Jahre später, 1904, schaffte Weyl das Abitur mit glänzenden Noten – Mathematik mit einer Eins.

Nach dem Abitur folgte das Studium an den Universitäten in Göttingen und München bis 1908. Weyl promovierte schließlich zum Dr. phil. mit dem Thema „Singuläre Integralgleichungen mit besonderer Berücksichtigung des Fourierschen Integraltheorems“.

Schon zwei Jahre später, also 1910 als 25-Jähriger, habilitierte er sich an der Universität Göttingen für Mathematik.

Erinnerungen des Klassenkameraden Pruns

Über seine Schulzeit mit Hermann Weyl schrieb am 8. November 1955 sein ehemaliger Klassenkamerad Dr. med. Hans Pruns in den Elmshorner Nachrichten unter anderem:

So kam es, daß wir jungen Sextaner, die wir die Vorschule hinter uns hatten, die weitere Schulzeit auf dem Altonaer Christianeum verbrachten. Unter uns Elmshornern fand sich schnell ein Kreis von vier Jungen zusammen, der jahrelang zusammenhielt: Hermann Weyl, der Sohn des damaligen Bankdirektors der Kreditbank (heute Volksbank), Karl Rathjens, ein Sohn des Musiklehrers der Mittelschule, Willy Junge, des Färbers Otto Junge Jüngster, und ich. Der Mittelpunkt unseres Kreises war Hermann Weyl. Bei ihm gab es die besten Spielgelegenheiten. Die Kreditbank hatte für uns bei schlechtem Wetter einen riesigen Bodenraum auf dem wir ungestört herumtollen konnten; bei gutem Wetter hatten wir hinter dem Haus den Garten bis zur Krückau zur Verfügung und daneben den Blinddarm der „Stummelstraße“, wie man damals die Sackgasse der Holstenstraße von der Königstraße bis zur Krückau nannte, über die noch keine Brücke führte. Während der ganzen Schulzeit war Hermann unser geistiger Führer. Er besaß eine beträchtliche Energie und verstand seinen Einfluß bei uns immer durchzusetzen.

Werdegang des Mathematikers ab 1913

Im Jahre 1913 folgte Weyl als Professor für Geometrie einem Ruf an die Technische Hochschule in Zürich, wo er bis 1930 blieb. Zwischendurch – von 1928 bis 1929 – war er an der Universität Princeton (USA). 1930 wurde Weyl Nachfolger des bekannten Mathematikers David Hilbert in Göttingen.

1933 wanderte er in die Vereinigten Staaten aus und lehrte in Princeton. Weyl lehnte Hitler, das Dritte Reich und die damit verbundene nationalsozialistische Ideologie ab. In Princeton, einem Zentrum mathematischer Forschung, lehrte Weyl bis 1951.

Hermann Weyl verfasste viele wissenschaftliche Bücher

Hermann Weyl schrieb über seine Arbeiten auf den Gebieten der Mathematik, theoretischen Physik und der Philosophie viele Bücher, dazu gehören unter anderem: Die Idee der Riemannschen Fläche (1913), Raum, Zeit, Materie (1918 - hierbei handelt es sich um die Relativitätstheorie), Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft (1926), Gruppentheorie und Quantenmechanik (1928), Symmetrie (1952). Neben 13 Büchern erschienen auch rund 200 Aufsätze in unterschiedlichen wissenschaftlichen Publikationen.

Vielfältige Erhrungen und andere Anerkennungen weltweit

Zeit seines Lebens erfuhr der in Fachkreisen weltweit bekannte und als bedeutender Mathematiker anerkannte Elmshorner zahlreiche Ehrungen, unter anderem bekam er sechs Ehrendoktor-Titel. Weyl bekam auch von verschiedenen Mathematischen Gesellschaften in unterschiedlichen Ländern die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Besonders hervorzuheben ist die bereits 1936 erfolgte Aufnahme unter die kleine Zahl der auswärtigen Mitglieder der Royal Society London. Außergewöhnlich ist auch die Ernennung zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

Zu den Korrespondenzpartnern zählten hochrangige Wissenschaftler, allen voran Albert Einstein, aber auch Friedrich Engel, Edmund Husserl, Robert Oppenheimer, Hermann Hesse und Max Planck.

Verleihung der Ehrenbürgerschaft im Jahr 1955

Weyl, diesem großen Mathematiker und Denker, wollte auch der Elmshorner Stadtrat Dr. von Mantey in Elmshorn ein Denkmal setzen. Deshalb schlug er in einem Schreiben vom 15. August 1955 dem Magistrat vor, Hermann Weyl die Würde eines Ehrenbürgers zu verleihen. Zur Begründung schrieb er unter anderem: Dr. Weyl ist wohl zweifellos der größte Mathematiker in der Welt. Er hat jahrelang mit dem kürzlich verstorbenen Professor Einstein zusammengearbeitet. Das Stadtverordneten-Kollegium stimmte dem Vorschlag in seiner Sitzung am 21. Oktober 1955 einstimmig zu. Auch der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein genehmigte die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an den „Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika, Herrn Universitätsprofessor Dr. Hermann Weyl, Zürich“ mit Schreiben vom 4. November 1955.

In einem Telegramm aus Zürich bestätigte Weyl den Terminvorschlag für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Die Feierstunde sollte am 17. November ab 16 Uhr in Verbindung mit einer außerordentlichen Sitzung des Kollegiums in der Aula der Bismarckschule stattfinden.

Mit großer Sorgfalt, dies belegen Archivunterlagen der Stadt, bereitete die Verwaltung diese Feierstunde vor. So verschickte sie beispielsweise Briefe, in denen die Empfänger nach Adressen von ehemaligen Schulkameraden befragt wurden – mit Erfolg. Die zweiseitige Einladungsliste beinhaltet denn auch ehemalige Schulfreunde wie Dr. med. Pruns und Dr. Junge und Professor Dr. Rathjens. Geladen wurden aber auch die Ehrenbürger Konrad Struve und Paul Junge sowie der Stadtälteste Heinrich Hauschildt, Dr. Hermann Athen aus Elmshorn, Rektor Hans Matzen, die Bundestagsabgeordneten Goldhagen und Rehs und Landtagsabgeordneter Wilckens.

Das Festprogramm sah zum Einzug vor, die Fanfare der Bismarckschule durch das Schülerblasorchester spielen zu lassen. Danach folgten der Choralsatz „Nun danket alle Gott“ (Bach) und drei festliche Reigen aus der Oper „Don Juan“ (Gluck). Die Eröffnung der Sitzung des Kollegiums erfolgte durch Bürgervorsteher Piening. Die Festansprache hielt Oberstudienrat Dr. Hermann Athen von der Elmshorner Bismarckschule.

Der Ehrenbürgerbrief enthielt folgenden Wortlaut: In Würdigung seiner in aller Welt anerkannten großen Verdienste um Lehre und Forschung in den Disziplinen der Mathematik und Physik verleiht die Stadt ihrem großen Sohn, seiner Exzellenz Universitätsprofessor Dr. Hermann Weyl, Zürich, zu seinem 70. Geburtstag das Ehrenbürgerrecht.

Unterzeichnet war die Urkunde mit dem Geburtstagsdatum, 9. November 1955.

Bericht der Elmshorner Nachrichten zum Ehrenbürger Weyl

Am Tag nach der Verleihung schrieben die Elmshorner Nachrichten unter anderem:

„Ja, ich bin ein Elmshorner Kind!“ bekannte der Elmshorner Ehrenbürger Professor Dr. Hermann Weyl. Und weiter hieß es: Eine besinnliche und froh-herzliche Feierstunde war es, die man Hermann Weyl bereitet hatte. Vor allem die Jugend brachte dem Manne, dessen Leben und Werk ihr Vorbild ist, eine schöne und mit großer Liebe dargebotene Huldigung.

Hermann Wey verstarb am 8. Dezember 1955

Mit Schreiben vom 3. Dezember 1955 bedankte sich der in Zürich lebende Hermann Weyl bei der Stadt nochmals für die Ehrung. Unter anderem hieß es in diesem Brief, der an den Bürgervorsteher gerichtet war:

„Mein erstes Anliegen in diesem Brief ist, noch einmal der Stadt Elmshorn und ihrem Stadtverordneten-Kollegium für den Beschluss zu danken, mir einen Ehrenbürgerbrief auszustellen. Die sachliche Würdigung meiner wissenschaftlichen Arbeit durch Herrn Dr. Athen war so treffend, wie man es bei der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und dem abstrusen Charakter mathematischer Forschung nur erwarten konnte.“ Weyl schloss seine Dankesworte mit der Aussage: „Sie werden mich bald wieder in Ihren Mauern sehen.“

Doch diese Ankündigung oder dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Hermann Weyl starb 5 Tage, nachdem er diesen Brief schrieb, am 8. Dezember 1955, an einem Herzschlag in Zürich.

Den gesamten Brief Weyls druckten die Elmshorner Nachrichten am 12. Dezember 1955 ab, zuvor hatten sie in ihrer Ausgabe vom 10. Dezember über den unerwarteten Tod berichtet.

Ausstelllung zum 100. Geburtstag auch in Elmshorn

Aus Anlass des 100. Geburtstages von Professor Hermann Weyl veranstaltete die Christian-Albrecht Universität Kiel (Philosophisches Seminar) einen Kongress und eine Ausstellung. Diese Ausstellung war auch im Elmshorner Rathaus zu sehen.

Die Elmshorner Nachrichten berichteten über diese Ausstellung in ihrer Ausgabe vom 13. November 1985, unter anderem hieß es:

Im Rahmen der Ausstellungseröffnung würdigte Privat-Dozent Dr. Wolfgang Deppert das umfangreiche Werk des Elmshorner Ehrenbürgers. „Der Erfolg dieses hervorragenden Wissenschaftlers ist vergleichbar mit dem Albert Einsteins“, so der Wissenschaftler in seiner Laudatio. Er bezeichnete Weyl ferner als einen Boten zwischen Mathematik, Physik und Philosophie.

Autor*in: Ulrich Lhotzky-Knebusch